Beitrag: Brunhild Glockemann, Roland Neuber, 06.05.2024
Warum, was
Dass die heimischen Bäume seit Jahren massiv unter dem Klimawandel, den geringen Niederschlägen, sinkendem Wasserstand, hohen Temperaturen leiden, ist bekannt und auch in der Gemeinde Schwielowsee vielerorts zu beobachten. Der vergangene Winter und vor allem das Frühjahr brachten jedoch relativ große Niederschlagsmengen mit sich. Entlang der hiesigen Havelseen und auch im Bereich des Caputher Sees können wir, inzwischen wieder schwindend, überstaute Bereich beobachten, wo es seit Jahren oder Jahrzehnten keine mehr gegeben hat. Der Wasserstand des Caputher Sees ist höher als seit langem, wozu auch die mit dem Ziel einer Erhaltung der klimarelevanten ufernahen Moorbereiche etwas erhöhte Sohlschwelle am Seeabfluss beiträgt.
Es stellt sich die Frage, ob Bäume, die unmittelbar am Ufer stehen und nun, anders als in den vergangenen Jahren, das Frühjahr über „nasse Füße“ haben, dadurch Schaden nehmen. Um dazu ein Bild zu gewinnen, haben wir am 05. und 06. Mai 2024 eine Begehung derjenigen Uferbereiche, die nicht im Naturschutzgebiet liegen, durchgeführt und die Bäume betrachtet, die direkt am bzw. im Wasser stehen. Gibt es dort Exemplare, die erkennbar innerhalb des letzten Vierteljahres umgestürzt oder absterbend sind? Entlang des zugänglichen westlichen Uferbereiches wurden sämtliche Bäume erfasst, die derzeit mit der ganzen oder einem großen Teil ihrer Wurzel im Wasser stehen. Festgehalten wurde jeweils die Baumart, abgeschätzt die Vitalität des Baumes und seit etwa wann seine Wurzeln im Wasser stehen. Bei der Begehung entlang des Ostufers wurden lediglich stichprobenartig ufernahe Bäume betrachtet. Alle in diesem Text verwendeten Fotos wurden am 05. oder 06.Mai aufgenommen.
Besonderes Augenmerk galt den Eschen (Fraxinus excelsior), einer Baumart, die bei uns regelmäßig auch an gewässernahen Standorten zu finden ist, jedoch nicht die gleiche ausgeprägte Widerstandsfähigkeit gegen lange Phasen der Staunässe besitzt wie Schwarzerlen und Weiden. Die europäischen Eschenbestände sind aktuell in hohem Maße bedroht und geschädigt durch eine Pilzerkrankung, die als Eschentriebsterben bezeichnet wird. Der Krankheitserreger wurde Anfang der 1990er-Jahre mit Pflanzenmaterial aus Ostasien nach Europa eingeschleppt, wo er sich in der Folge epidemisch ausgebreitet hat, in Deutschland seit Beginn der 2000er Jahre.1
1 https://www.lwf.bayern.de/waldschutz/monitoring/063829/ (05.05.2024)
Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden:
- In den Wochen seit der Veränderung am Seeabfluss (Sohlschwelle) und insgesamt seit ca. einem Jahr sind direkt am See, also dort, wo der Wasserstand nach den starken Regenfällen im vergangenen Winter und Frühjahr etwas höher ist, keine Bäume umgefallen. Mit einer Ausnahme (Bild 1) liegen die am See festgestellten umgestürzten Bäume bereits länger, mindestens seit einem Jahr, oft erheblich länger, dort.
- Eine Reihe von ihnen sind unmittelbar am Uferrand ins Wasser gestürzt, indem der Wurzelbereich sich offenbar unter dem Einfluss des Wassers lockerte, schließlich herauskippte, sodass der Stamm ins Wasser fiel.
- Dieser Vorgang ist bei diversen schräg, mitunter auch waagerecht wachsenden, häufig durchaus vitalen Bäumen unterschiedlicher Arten zu sehen.
- Oft entwickelt sich einer der Äste, die beim liegenden Baum nach oben weisen, dann zu einem neuen Stamm.
- Es gibt eine Vielzahl von Bäumen unterschiedlicher Arten (Schwarzerlen, Hainbuchen, Flatterulmen, Stieleichen, Birken, Eschen), die erkennbar seit Jahren unmittelbar am See bzw. mit zumindest großen Teilen der Wurzel direkt im Seewasser stehen und trotzdem gut gedeihen.
- Offensichtlich können viele Bäume, auch Eschen, leben, wenn ein erheblicher Teil ihrer Wurzel im Seewasser oder in stetigem Wasserkontakt steht.
- In einem seit den Wochen der starken Regenfälle komplett unter Wasser stehenden Bereich nahe dem Spitzbubenweg wurde eine größere Gruppe ca. 2-10 Jahre alter Eschen festgestellt, die komplett im Wasser stehen und offensichtlich bestens gedeihen. Leider war dieses der einzige größere Bestand von gesunden, bisher nicht vom Eschentriebsterben betroffenen Eschen.
- Bei ausnahmslos allen großen, mehr als ca. 20 Jahre alten Bäumen waren Schäden erkennbar: schütteres Laubdach, kahle Äste, auch völlig abgestorbene Individuen.
- Auffällig viele der umgestürzten Bäume aus den letzten Jahren entlang der Wege am Caputher See sind Eschen.
- Auch an einigen der jungen Bäume (ca. 2-5 Jahre), nicht aber der Mehrheit, sind zunächst wenige sich zusammenziehende, dann braun verdorrende Blätter zu finden, später vertrocknen ganze Zweige.
Fazit
Das erfreuliche Ergebnis der Seebegehung ist: Es wurden keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass ufernah wachsende Bäume am und um den Caputher See durch den seit einigen Wochen etwas höheren Wasserstand geschädigt werden. Vielmehr gibt es eine ganze Reihe von Bäumen unterschiedlicher Arten, keineswegs vor allem Staunässespezialisten wie Schwarzerlen oder Weiden, die seit mehreren Jahren trotz großer Wurzelbereiche, die ständig im Seewasser stehen, gedeihen.
Äußerst beunruhigend und traurig jedoch ist der Zustand der Eschen. Nicht nur ist offensichtlich bereits eine größere Zahl dem kürzlich aus fernen Regionen eingeschleppten Organismus zum Opfer gefallen, sondern es sind auch die meisten, vielleicht alle, noch vorhandenen älteren Bäume erkennbar befallen und geschädigt. Symptomfreie Individuen gibt es lediglich unter den Jungpflanzen.
In Deutschland lebt eine ganze Reihe Insektenarten von dieser eigentlich häufigen Baumart, manche der Insekten ausschließlich von Eschen. Unter den eschenbewohnenden und -fressenden Arten sind allein 19 Schmetterlinge1. Verschwindet der Baum, haben diese Tiere keine Überlebensgrundlage mehr, wird die Artenvielfalt also wieder ein Stück kleiner. In Dänemark waren bei der letzten Erhebung nur noch fünf Prozent der Eschen gesund. Resistente Eschenbäume, die also gegen das Erkranken tatsächlich gefeit sind, wurden bisher trotz intensiver Forschung nicht entdeckt. Forstwissenschaftlerinnen und Forstwissenschaftler suchen nun unter Hochdruck nach Individuen, bei denen ein Pilzbefall nicht zwingend zum Absterben führt.2 Die in großer Zahl zu erzeugenden und dann zu pflanzenden Nachkommen dieser widerstandsfähigeren Bäume sollen das vollständige Verschwinden der Eschen in Mitteleuropa verhindern. Hoffentlich gelingt es. Sonst werden wir sie sehr vermissen, die wunderschönen, sattgrünen, hoch aufragenden, im Wind mit ihrer Blätterpracht winkenden Eschen an unserem Caputher See.
1 https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/waldschutz/dateien/a118_insekten_an_esche.pdf (06.05.2024)
2 https://www.tagesschau.de/wissen/klima/wald-eschensterben-pilzerkrankung-forschung-101.html (06.05.2024)