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Ein Gedanke zu „Stellungnahme“
Liebe Leser des Havelboten,
ja, wir können uns in Schwielowsee über ein kostenlos ausleihbares Elektro-Lastenrad freuen. Wir können uns sogar ausnahmslos freuen, da es sich um eine Initiative handelt, die mit viel persönlichem Engagement von Bürgern unserer Gemeinde ein deutliches Zeichen für den
Klimaschutz setzt. Es geht um nichts Geringeres als der jungen und den nachfolgenden Generationen eine Umwelt zu hinterlassen, die ihnen ein Leben ermöglicht, wie wir es heute noch genießen können. Ein Angehöriger der Generation, die die Folgen der Klimakatstrophe nicht mehr erleiden muss, leistet sich im Editorial des Havelboten den Luxus vom wichtigen Hauptthema abzulenken.
Stattdessen stellt er seine persönliche elitäre Vorstellung von Erinnerungskultur in den Mittelpunkt der Darstellung. Der Autor nutzt oder gar missbraucht hier seine Deutungshoheit in der Gemeinde qua Chefredaktion. Nicht erkennbar sind Recherche oder Interviews der betreffenden Beteiligten.
Die Klimainitiative bekam keine Gelegenheit ihre Namensgebung zu begründen. Aber auch die, die für eine lebendige Erinnerungskultur in unserer Gemeinde kämpfen, werden ungefragt als Zeugen für die persönliche Sichtweise des Autors aufgerufen.
Die zahlreichen massiven Vorwürfe gegen die Initiatoren, unter anderem der Geschichtsvergessenheit, der Verhöhnung der Opfer, dem Vorschubleisten von Antisemitismus und Rechtsradikalismus gründen einzig und allein auf ein Argument. Nämlich, dass ein Elektro-Lastenrad ein zu profaner Gegenstand sei, um Erinnerung an schreckliche Taten der Vergangenheit wach zu halten. Hier wird eine Erinnerungskultur bevorzugt, die sich in geschlossenen feuilletonistischen Erinnerungsräumen abspielen möge und deren akademische Auseinandersetzungen ohnehin nur diejenigen erreicht, die nicht mehr an die dunkle Vergangenheit erinnert werden müssen.
Erinnerung muss, wenn sie überleben soll, bei den jüngeren Generationen und auch den nicht akademischen Kreisen ankommen. Es geht also darum wie sich Erinnerungsräume in unsere Lebenswirklichkeit einbinden lassen. Wo soll demzufolge gelingende Erinnerungskultur stattfinden? An Gedenktafeln, die nicht gelesen werden, in Museen, die kaum besucht werden, in Büchern, die nicht die Menschen lesen, die sie lesen sollten? Oder doch lieber an Stolpersteinen des Alltags, die zum Nachdenken und Erinnern anregen.
Dem Elektro-Lastenrad, das zudem noch kostenlos genutzt werden kann, begegnen unterschiedlichste Menschen im Alltag. Wenn nur einige davon beim Namen „TrudeBude“ Fragen stellen und darüber Nachdenken, ist das schon ein Gewinn für die Erinnerung.
Wer also Erinnerung dem „profanen Alltag“ entzieht und lieber auf erhabene Sonntagsreden verweist, leistet gerade damit Geschichtsvergessenheit und damit wachsendem Rechtsradikalismus und Antisemitismus Vorschub.
Es gibt nicht nur die eine Erinnerungskultur und als solche ist sie jeweils auch immer eine Form der Selbstdarstellung. Für letztere hat Karl Günsche die ihm mit dem Havelboten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt. Doch es bedarf nicht des Diktats sondern der Kommunikation darüber, wie erinnert werden soll, damit beim anstehenden Übergang der NS-Vergangenheit vom kommunikativen Gedächtnis zum kollektiven Gedächtnis nichts von dem verloren geht, was erinnert werden soll.
In diesem Sinne Ihr Birk Töpfer